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Rückblick auf die Podiumsdiskussion „Klimaproteste aus der Perspektive des Rechts – Hannovers Verständigung mit der Letzten Generation“

Rückblick auf die Podiumsdiskussion „Klimaproteste aus der Perspektive des Rechts – Hannovers Verständigung mit der Letzten Generation“

© Behnood Soleimani | Juristische Fakultät Hannover
V.l.n.r.: Prof. Dr. Susanne Beck, Oberbürgermeister Belit Onay, Liliane Allgeyer, Anja Schollmeyer, Prof. Dr. Jochen Bung und Prof. Dr. Sebastian Haunss.

Am 18. Juli 2023 veranstaltete das Team des Lehrstuhls von Frau Prof. Dr. Susanne Beck, LL.M. (LSE) eine Podiumsdiskussion zu Hannovers Verständigung mit der Letzten Generation, die für große mediale Aufmerksamkeit gesorgt hatte.

Das von Prof. Dr. Susanne Beck moderierte Podium setzte sich aus dem Hannoveraner Oberbürgermeister Belit Onay, Liliane Allgeyer, Mitglied des Legal Teams der Letzten Generation, Anja Schollmeyer, SPD-Ratsfrau der Landeshauptstadt Hannover, Prof. Dr. Jochen Bung, Inhabers des Lehrstuhls für Rechtsphilosophie und Strafrecht an der Universität Hamburg und dem Protestforscher Prof. Dr. Sebastian Haunss und zusammen.

Das Jahrzehnt 2011-2022 war das bislang wärmste seit Beginn der regelmäßigen instrumentellen Messung. Vom Anstieg des Meeresspiegels, Flächenbränden, Hitzewellen bis hin zu einer schwindenden Artenvielfalt sind die Folgen der globalen Erderwärmung spürbar. Aus Sorge um diese Entwicklung hat sich die „Letzte Generation“ gebildet, ein Bündnis von Klimaaktivist:innen, die vor allem mittels zivilen Ungehorsam versucht, Maßnahmen der Regierung gegen die Klimakrise herbeizuführen. Besondere Aufmerksamkeit hat hierbei das sogenannte „Klimakleben“ erlangt, bei dem Aktivist:innen den Verkehr blockieren, indem sie sich u.a. auf Hauptverkehrsstraßen kleben. In Hannover hat die Letzte Generation nach einer Verständigung, im Rahmen derer der Oberbürgermeister Belit Onay seine Unterstützung bei zentralen Forderungen der Letzten Generation kundtat, jene Proteste eingestellt.

Diese Verständigung sorgte nicht nur für große mediale Aufmerksamkeit, sie wirft auch elementare Fragen von Recht und Moral auf. Handelt es sich bei den Protestformen um Unrecht? Oder benötigen wir die Normüberschreitungen sogar zur Überwindung der Klimakrise? Darf sich die Politik mit außerpolitischer Opposition und Protestbewegungen verständigen, wenn zumindest unklar ist, ob die andere Seite sich noch im Rahmen des Rechts bewegt?

Über diese Fragen wurde intensiv diskutiert, auf Basis eines Konsenses unter den Podiumsteilnehmenden, dass die grundlegende Zielsetzung der „Letzten Generation“ unterstützenswert sei, namentlich das Überschreiten von Kipppunkten im Klimasystem zu verhindern.

Zugleich sei die Frage der Legitimität oder Illegitimität des Protests aufzuwerfen. Mit Blick hierauf wurde vom Podium auf andere Protestformen, wie der US-amerikanischen Bürgerrechtsbewegung oder der Anti-Atomkraft-Bewegung hingewiesen. Zudem wurde auch ein Blick ins Strafrecht gewagt: „Die Klimaaktivist:innen sind moralisch im Recht, dafür brechen sie aus das Recht und müssen hoffen, dafür nachsichtig behandelt zu werden, es gibt die Mittel im Recht, das zu tun und es kommt auf die Leute an, die das Recht anwenden“, so Bung.

Die möglicherweise einschlägigen Vorschriften, nämlich die Nötigung nach § 240 StGB, sowie die Bildung einer kriminellen Vereinigung nach § 129 StGB, wurden kritisch beleuchtet. Auch darüber, dass § 129 StGB hier möglicherweise nur als – problematisches – Einfallstor für strafprozessuale Maßnahmen mit erheblichen Beschränkungen der Rechte der Beteiligten genutzt werden könnte, wurde diskutiert.

Weiterhin wurde über die Notwendigkeit, aber auch die Grenzen von politischer Partizipation in einer modernen pluralistischen Gesellschaft diskutiert. Diesbezüglich wurde insbesondere die Frage in den Raum geworfen, ob es disruptiver Protestformen, wie jenen der „Letzten Generation“ bedarf, um autoritären Tendenzen in der Gesellschaft vorzubeugen.

Auch aus dem Zuschauerraum wurden wichtige Fragen gestellt und Aspekte eingebracht, so dass das Thema zwar kontrovers, aber doch konstruktiv diskutiert wurde und viele neue Perspektiven aufgeworfen wurden.

Das Lehrstuhl-Team von Frau Prof. Dr. Beck bedankt sich nochmals herzlich bei allen Podiumsteilnehmenden und den zahlreichenden Zuschauer:innen im Conti-Foyer wie auch online.

Ergänzend wird auf die untenstehenden veröffentlichten Presseartikel verwiesen:

Verfasst von Natalie Hildermann und Frau Prof. Dr. Susanne Beck.

Verfasst von VCL