Im Rahmen der Ringvorlesung „Recht – kritisch“ hielt Dr. Sué González Hauck am 22. Januar 2025 einen Vortrag zum Thema „Weiße Deutungshoheit statt Objektivität: Der objektive Dritte und die systematische Abwertung rassismuserfahrener Perspektiven“ und bot einen kritischen Blick auf das juristische Konzept des „objektiven Dritten“.
Diese juristische Figur lernen Studierende bereits früh im Studium kennen, doch wie objektiv ist dieser „objektive Dritte“ wirklich? Anhand feministischer und rassismuskritischer Sozialepistemologie sowie durch Beispiele aus der Rechtsprechung zeigte Dr. González Hauck, dass der objektive Dritte in der Regel eine sehr spezifische, partikulare Perspektive – nämlich die eines weißen, männlichen Subjekts – verkörpert. Dies führt dazu, dass insbesondere rassismuserfahrene Perspektiven systematisch abgewertet und marginalisiert werden. Im Verlauf des Vortrags wurde diskutiert, welche Auswirkungen diese Deutungshoheit auf juristische Entscheidungen und die Wahrnehmung von Diskriminierung hat. Dabei wurde insbesondere das Konzept der „starken Objektivität“ als Alternative vorgestellt. In der anschließenden Diskussion wurde gemeinsam mit den Studierenden erörtert, wie sich eine Annäherung an dieses Ideal in der juristischen Praxis gestalten ließe.
Der Vortrag machte deutlich, dass juristische Objektivität keine wertfreie Konstante ist, sondern von gesellschaftlichen Machtverhältnissen geprägt wird. Mit dem Konzept der „starken Objektivität“ wurde ein Ansatz vorgestellt, der Perspektivenvielfalt in rechtlichen Entscheidungen stärker berücksichtigt. Die abschließende Diskussion zeigte, dass es kein einfaches Rezept für mehr Gerechtigkeit gibt – aber ein kritischer Blick auf etablierte Vorstellungen ein erster Schritt sein kann.
Über die Referentin
Dr. Sué González Hauck ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin und Habilitandin an der Professur für Öffentliches Recht, insbesondere Völkerrecht und Europarecht (Prof. Dr. Sigrid Boysen), der Helmut-Schmidt Universität Hamburg.
Über die Ringvorlesung
Im Wintersemester 2024/25 veranstaltet Frau Prof. Dr. Völzmann (Gastprofessur für Öffentliches Recht, Rechtsphilosophie, Geschlechter- und Diversityforschung) die Ringvorlesung „Recht – kritisch: Alternative Zukünfte denken“. Die Ringvorlesung will Rechtsnormen kritisch hinterfragen: sowohl im Rahmen ihrer Auslegung und Anwendung als auch mit Blick auf mögliche Weiterentwicklungen. Feministische Rechtskritik, Rassismus kritische und Klassismus kritische Perspektiven, die Legal Disability Studies und Kritik am bestehenden Tierschutzverständnis hinterfragen Vorannahmen sowie Objektivitäts- und Neutralitätsvorstellungen. Studierende haben die Möglichkeit, sich die Teilnahme an der Ringvorlesung sowohl als Grundlagenfach für die Zwischenprüfung als auch als Schlüsselqualifikation nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 lit. f) NJAG anrechnen zu lassen. Die Vorträge finden stets ab 16.15 Uhr (am 20.11.2024 abweichend um 18 Uhr) in Hörsaal 1507.003 und online über Webex statt. Eine Teilnahme ist über diesen Link möglich. Die nächsten Termine finden Sie hier.