Offener Brief
Göttingen/Hannover/Osnabrück, den 5. September 2022
Sehr geehrte Frau Ministerin Havliza,
sehr geehrter Herr Minister Thümler!
Das Land Hessen hat für die Justizministerkonferenz im November einen Beschlussentwurf eingebracht, um näher prüfen zu lassen, ob und wie den Juristischen Fakultäten ermöglicht wird, in das zum 1. Juristischen Examen führende rechtswissenschaftliche Studium den Abschluss eines LL. B. zu integrieren (https://justizministerium.hessen.de/presse/hessen-regt-pruefung-der-einfuehrung-eines-integrierten-bachelor-of-laws-llb-an). Die Kultusministerkonferenz soll gebeten werden, die erforderlichen hochschulrechtlichen Grundlagen zu schaffen.
Wir, die drei Juristischen Fakultäten in Niedersachsen, die bislang Studiengänge mit dem Abschluss durch das Staatsexamen angeboten haben, begrüßen diese Initiative und bitten Sie herzlich, dass sich das Land Niedersachsen das Anliegen zu eigen macht.
Aus unserer Sicht sprechen einige Gründe für eine solche Reform:
- Sie stärkt das Hauptstudium, weil in dieser Studienphase schon in ein Examen „eingezahlt“ wird.
- Sie hilft beim Abbau von Prüfungsängsten (auch bei leistungsstarken Studierenden), weil schon vor dem Staatsexamen ein Abschluss erworben wurde.
- Sie hilft bei der Rekrutierung guter Studierender: Zunehmend erreichen wir Juristische Fakultäten sehr gute Studieninteressierte nicht, weil sie von den Examensbedingungen abgeschreckt werden. Zugleich sollte das Anforderungsniveau nicht abgesenkt werden. Der LL. B. könnte da helfen.
- Der LL. B. ist eine interessante Option für die, die kein 2. Staatsexamen anstreben.
- Die Reform ist ein Baustein, um die zu hohe Zahl der Studienabbrüche in fortgeschrittenen Semestern zu reduzieren.
- Ein LL. B. kann die internationale Mobilität unterstützen und einen unkomplizierten Zugang zu ausländischen LL. M.-Programmen vermitteln.
- Der LL. B. ist eine Rückfalloption, wenn das Studium erfolgreich absolviert wurde (man also scheinfrei ist), aber die 1. Juristische Prüfung endgültig nicht besteht.
Der integrierte LL. B. soll das Erste Juristische Examen stärken, nicht schwächen. Er ist kein Allheilmittel. Das Modell hat auch Nachteile und wird in der Rechtswissenschaft durchaus kontrovers diskutiert.
Wir wollen als Juristische Fakultäten die öffentliche Debatte über das Studium der Rechtswissenschaft, die Studien- und Examensbedingungen, und über ihren Reformbedarf offensiv führen.
Wir können selbstbewusst darauf verweisen, was wir leisten, und zeigen uns doch offen und neugierig für Verbesserungen.
Wir sollten diese Debatten sachlich bestinformiert führen und Vor- und Nachteile verschiedener Reformbausteine wägen.
Als Juristische Fakultäten stehen wir Ihnen als Gesprächspartner in einem solchen Prozess gerne zur Verfügung. Dabei sollte die Vielfalt der Wege, die die Fakultäten gehen, als Stärke und Chance begriffen und diese Pluralität respektiert werden. Deshalb sollte neben der Integration des Staatsexamens in einen LL. B./LL. M.-Studiengang, wie jetzt in Lüneburg avisiert, auch der umgekehrte Weg möglich sein: Die Integration eines LL. B. in den Staatsexamensstudiengang. So werden wir als Juristische Fakultäten auch in Zukunft eine leistungsstarke Juristenausbildung mit exzellenten Forschungsleistungen verbinden können.
Für die Juristische Fakultät der Georg-August-Universität Göttingen
Prof. Dr. Hans Michael Heinig, Dekan
Für die Juristische Fakultät der Leibniz Universität Hannover
Prof. Dr. Roland Schwarze, Dekan
Für die Juristische Fakultät der Universität Osnabrück
Prof. Dr. Oliver Dörr, Dekan