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Tax Law Clinic Hannover zieht mit Professor Dr. Volkert Vorwerk zum Bundesgerichtshof

Tax Law Clinic Hannover zieht mit Professor Dr. Volkert Vorwerk zum Bundesgerichtshof

© Jakob Richter | Juristische Fakultät Hannover

Der Streit über die Zulässigkeit von Deutschlands erster Tax Law Clinic ist jetzt bei dem Bundesgerichtshof angekommen. Der im Oktober 2021 gegründete Tax Law Clinic Hannover e.V. i. G. hat mit dem Rechtsanwalt beim Bundesgerichtshof Professor Dr. Volkert Vorwerk Rechtsbeschwerde gegen die verweigerte Eintragung in das Vereinsregister eingelegt. Das höchste deutsche Zivilgericht wird sich damit mit dem Verbot einer unentgeltlichen studentischen Steuerrechtsberatung befassen müssen.

Nachdem das Amtsgericht Hannover die Eintragung des Vereins in das Vereinsregister wie erwartet mit Hinweis auf den Gesetzesverstoß (§§ 3, 5 StBerG) abgelehnt hat, legte der Tax Law Clinic Hannover e.V. i. G. hiergegen Beschwerde ein. Dieser half das Amtsgericht nicht ab und verwies die Beschwerde an das Oberlandesgericht Celle (OLG). In seinem Beschluss vom 10. März 2022 (9 W 14/22) hat sich das OLG nicht der Auffassung des Vereins angeschlossen, dass §§ 3, 5 StBerG verfassungswidrig seien und wies die Beschwerde ab. Es führte diesbezüglich aus, dass das Verbot vom Gesetzgeber gewollt sei und kein Bedarf für Tax Law Clinics bestehe. Des Weiteren sei eine Einschränkung oder Aufhebung einer Norm aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht Sache des registergerichtlichen Ausgangs- oder Beschwerdeverfahrens. Allerdings hat das OLG Celle die Rechtsbeschwerde zugelassen und die Aufgabe der Rechtsfortbildung dem Bundesgerichtshof übergeben. Die Rechtsbeschwerde wurde nun durch Professor Dr. Volkert Vorwerk für den Tax Law Clinic Hannover e.V. i.G. eingelegt. In der Rechtsbeschwerde führt Professor Vorwerk neben den bekannten Argumenten, nunmehr auch europarechtliche Verstöße und einen Verstoß gegen das Grundrecht der Lehrfreiheit an.

Durch seinen Einsatz wurde die Argumentation, die bisher im Wesentlichen verfassungsrechtlicher Natur war, durch ein europarechtliches Gepräge bereichert. Das immer bedeutender werdende Europarecht ist einer der Schwerpunkte Professor Vorwerks anwaltlicher Tätigkeit. Grundlage der Argumentation ist Art. 15 Abs. 2, 3 der Richtlinie (EG) 2006/123. Erst vor kurzem entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH), in einem von Professor Vorwerk geführten Vorabentscheidungsverfahren, dass Gerichte Normen, die nicht den Anforderungen der Richtlinie gerecht werden, im Wege der vertikalen Direktwirkung unangewendet lassen müssen, wenn diese keine europarechtskonforme Auslegung zulassen (EuGH, Urteil vom 18. Januar 2022, Rs. C-261/20, ECLI:EU:C:2022:33, Rn. 30). Die Richtlinie verpflichtet die Mitgliedstaaten ihr Berufsrecht diskriminierungsfrei auszugestalten. Eine solche ungerechtfertigte Diskriminierung ist in den §§ 3, 5 StBerG insoweit zu sehen, soweit sie den Betrieb von Tax Law Clinics verbieten. Denn die Rechtsprechung des EuGH verlangt eine kohärente Ausgestaltung des Berufsrechts (EuGH, Urteil vom 4. Juli 2019, Rs. C-377/17, ECLI:EU:C:2019:562, Rn. 89 ff.). Aufgrund des hier vorliegenden „acte-clair“, ist der Bundesgerichtshof hier gehalten das eindeutige Europarecht durchzusetzen, ohne dass eine Vorlage zum EuGH geboten ist. Daher muss der Bundesgerichtshof die §§ 3, 5 StBerG insoweit unangewendet lassen.

Auch erweitert Professor Vorwerk die Argumentation um die Rüge eines Verstoßes gegen die durch Art. 5 Abs. 3 GG verbürgte Wissenschaftsfreiheit, in Form der Lehrfreiheit. Denn durch das Verbot von Tax Law Clinics wird Lehrenden die Lehrmöglichkeiten verwehrt, Studierende in deren Betrieb Fertigkeiten wie die Sachverhaltsermittlung zu lehren, die wesentlich für ihre spätere Tätigkeit als Organ der Rechtspflege sind.

Wir sind gespannt auf die weiteren Entwicklungen im Registerverfahren und halten Sie gerne über diese auf dem Laufenden.

Hintergründe

Der Verein zur Förderung der Steuerrechtswissenschaft an der Leibniz Universität Hannover e.V. (kurz VFS Hannover) hat das Ziel, das Steuerrecht am Standort Hannover und insbesondere im juristischen Studium an der dortigen Leibniz Universität zu fördern. Zu diesem Zweck plant er bereits seit seiner Gründung im Jahr 2015 den Aufbau einer Tax Law Clinic, also einer unentgeltlichen Steuerrechtsberatung, die von Studierenden für Studierende unter Anleitung von Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten durchgeführt wird. Eine solche unentgeltliche Rechtsberatung auf dem Gebiet des Steuerrechts ist– anders als auf allen anderen Rechtsgebieten – nach dem Wortlaut des § 5 des Steuerberatungsgesetzes (StBerG) unzulässig und stellt danach eine Ordnungswidrigkeit dar. Der VFS Hannover ist jedoch der Auffassung, dass das bestehende Verbot einer unentgeltlichen Beratung auf dem Gebiet des Steuerrechts in seiner derzeitigen Anwendung verfassungswidrig ist und geht juristisch dagegen vor.

Mehr über die Pläne der Gründung Deutschlands erster Tax Clinic erfahren Sie unter anderem hier.

Außerdem berichtet auch das Portal Legal Tribune Online (LTO) über die Entwicklungen der Tax Clinic. Einen Artikel vom 3. August 2022 finden Sie hier.

Über Herrn Professor Dr. Volkert Vorwerk

Professor Dr. Volkert Vorwerk studierte Rechtswissenschaften in Hamburg, Lausanne und Kiel, bevor er 1970 das Erste Juristische Staatsexamen vorm Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgericht ablegte. 1974 folgte die Promotion an der Universität Kiel sowie das Zweite Juristische Staatsexamen. Anschließend war Professor Vorwerk als Justiziar in einem Wirtschaftsunternehmen tätig. Im Jahr 1979 begann seine Zeit als Anwalt am Oberlandesgericht Celle, bevor er 1995 als Rechtsanwalt am Bundesgerichtshof zugelassen wurde. Seit 2002 ist Professor Vorwerk an der Juristischen Fakultät Hannover als Lehrbeauftragter für das Institut für Prozess- und Anwaltsrecht (IPA) tätig. Im Jahr 2006 wurde ihm von der Leibniz Universität Hannover die Honorarprofessorenwürde verliehen.

Über den VFS Hannover e.V.

Trotz seiner erheblichen wirtschaftlichen Bedeutung und seinen Verknüpfungen mit nahezu allen anderen Rechtsgebieten ist das Steuerrecht als Prüfungsfach in der Prüfungsordnung für Juristen des Landes Niedersachsen (bisher) nicht vorgesehen. Der VFS Hannover beabsichtigt, das steuerrechtliche Angebot außerhalb des Lehrplans aufzustocken, um Studierende und Referendare für das Steuerrecht zu interessieren und ihnen ein gewisses Gespür für das Rechtsgebiet und seine Bedeutung zu vermitteln.

Mehr über den VFS Hannover erfahren Sie unter:

Verfasst von JTS