Am 16. Juni 2025 fand erneut eine Veranstaltung der Forschungsstelle für Bank- und Kapitalmarktrecht sowie Kapitalmarktstrafrechtim Rahmen der Vorlesung „Kapitalmarktrecht“ statt. Hierzu hatte der Lehrstuhl für Zivilrecht, Europäisches und Internationales Wirtschaftsrecht (Prof. Dr. Petra Buck-Heeb) eingeladen.
Für den Gastvortrag über die Ad-hoc-Mitteilungspflicht nach Art. 17 Marktmissbrauchsverordnung (MAR) konnte Frau Susanne Koldewey gewonnen werden. Die Referentin ist Syndikusrechtsanwältin und Leiterin Compliance bei der NORD/LB - Norddeutsche Landesbank Girozentrale. Nach einer Ausbildung zur Bankkauffrau bei der Deutschen Bank und Jurastudium und Rechtsreferendariat in Hannover und Brüssel ist sie seit über 25 Jahren in der NORD/LB tätig. Dort übernahm sie verschiedene Führungs- und Expertenaufgaben in Investment Banking, Personalentwicklung, Regulatory Compliance, der NORD/LB Luxembourg und zuletzt in der Rechtsabteilung mit den Schwerpunkten Kapitalmarkt- und Bankaufsichtsrecht. Seit Mai 2024 ist sie Leiterin Compliance und beschäftigt sich dort mit den Themen Kapitalmarkt-Compliance, Insiderrecht, Handelsüberwachung, Wertpapierbeschwerden und Interessenkonfliktmanagement.).
Frau Koldewey schilderte anhand von Beispielen aus dem Berufsalltag einer Expertin für Kapitalmarktrecht den Weg zur Veröffentlichung einer Ad-hoc-Mitteilung. Der Vortrag begann mit einigen Ad-hoc-Meldungen, welche die Nord/LB in den letzten Jahren veröffentlicht hatte. Sodann wurden die relevanten Rechtsnormen auf den sog. Leveln 1, 2 und 3 aufgeführt. Dabei betonte die Referentin die große Bedeutung gerade der Level 2-Maßnahmen (im konkreten Fall DurchführungsVO (EU) 2016/1055) sowie der aufsichtlichen Äußerungen auf Level 3. Spannend waren zudem die Äußerungen hinsichtlich einer Fragestellung an die ESMA. Wenn Fragen an die ESMA gerichtet werden, werden diese dort anonymisiert beantwortet und veröffentlicht.
Die Voraussetzungen des Art. 17 Abs. 1 MAR wurden am Beispiel der NORD/LB geprüft. Die Nord/LB ist eine Anstalt öffentlichen Rechts und emittiert Anleihen als übertragbare Wertpapiere (Finanzinstrumente), sodass die Emittenteneigenschaft vorliegt. Zwar besteht bei Anleihen grds. kein Kursbeeinflussungspotenzial von Informationen (Art. 7 Abs. 1 lit. a MAR), allerdings verhält sich das bzgl. einer bestimmten Anleihe (AT1-Anleihe) anders. Diese weist einen Hybrid-Charakter auf, hat also sowohl Eigenschaften von Fremdkapital (Anleihen) als auch von Eigenkapitel (Aktien). Insofern kann hier generell das Tatbestandsmerkmal des Kursbeeinflussungspotenzials vorliegen.
Im Weiteren ging Frau Koldewey nach diesem theoretischen Teil auf die konkrete Praxis der Ad-hoc-Mitteilung ein. Da eine Insiderinformation theoretisch bei jedem Mitarbeiter entstehen kann, werden die Mitarbeiter in besonders sensiblen Bereichen geschult, sodass schon auf dieser Stufe die mögliche Insiderrelevanz erkannt wird. Die Compliance-Abteilung nimmt eine erste Vorprüfung ggf. unter Einbeziehung der Rechtsabteilung vor. Sodann wird, falls erforderlich, der Ad-hoc-Ausschuss einberufen. Das geschieht – aufgrund des Erfordernisses der Unverzüglichkeit (Art. 17 Abs. 1 MAR) – möglichst noch am selben Tag. Die Vertreter der Ausschussmitglieder werden zur Sicherheit zeitgleich mit eingeladen. Wichtig ist jedoch, dass im Betreff keine Information über das Thema gegeben wird. Behandelt wurden sodann die praktischen Aufgaben des Ad-hoc-Ausschusses bzw. der Ablauf der entsprechenden Sitzung des Ausschusses. Dieser entscheidet letztendlich über die weitere Vorgehensweise, insbesondere darüber, ob dem Vorstand vorgeschlagen wird, eine Ad-hoc-Mitteilung zu veröffentlichen.
Im Anschluss daran erläuterte Frau Koldewey, wie eine Subsumtion der einzelnen Tatbestandsmerkmale durch den Ad-hoc-Ausschuss erfolgt. Speziell thematisierte die Referentin anhand eines konkreten Beispiels von 2018 den Fall eines zeitlich gestreckten Vorgangs. Zudem wurde auf zwei aktuelle Ad-hoc-Mitteilungen abgestellt, die am 24.3.2025 (Zinszahlungsbeschluss bzgl. der AT1-Anleihe) sowie am 12.5.2025 (Kündigung bzgl. der AT1-Anleihe) veröffentlicht wurden. Anhand dieser Beispiele konnte die Frage der Unverzüglichkeit sowie des Kursbeeinflussungspotenzials sehr anschaulich dargestellt werden. All das ließ für die Zuhörer und Zuhörerinnen die theoretische Materie der Ad-hoc-Mitteilungspflicht „lebendig“ werden und verdeutlichte, wie spannend die Praxis sein kann.