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Künstliche Intelligenz – Ist das Recht für die Herausforderungen bereit?

Künstliche Intelligenz – Ist das Recht für die Herausforderungen bereit?

Über diese Frage diskutierten am 19.07.2018 Prof. Dr. Susanne Beck, Prof. Dr. Christian Wolf, Rechtsanwalt Dr. Carsten Schulz und Harald Schlieman, Ri am BAG a.D., bei der bereits zweiten JurVOICE-Veranstaltung an der Leibniz Universität Hannover (LUH). Moderiert wurde der Abend von zwei Studierenden der hiesigen Fakultät: Maximilian Nussbaum und Martin Suchrow.

Nicht zuletzt Entwicklungen wie Alexa oder Google Duplex, einem auf Künstlicher Intelligenz (KI)-basierten System, das Telefonanrufe für die Nutzer*innen übernimmt, zeigen die Möglichkeiten dieser Technologie unseren Alltag zu verändern. Es gibt humanoide Roboter, die mehr oder weniger intelligente Gespräche führen können, und es gibt das KI-basierte System Watson, das zur intelligenten Datenauswertung im Gesundheitssystem eingesetzt wird. All diese Systeme zeigen, wie wir uns den Utopien aus der Science-Fiction Welt Tag für Tag annähern. Aber auch die juristischen Berufe werden sich verändern. Herr Prof. Dr. Wolf (Institut für Prozess- und Anwaltsrecht) formulierte es im Vorgespräch mit JurVOICE so: „Es gibt – glaub ich – nichts, was die Anwälte im Augenblick so sehr umtreibt wie die Frage, wie sich der Arbeitsmarkt oder ihre Tätigkeit durch Legal Tech Innovation verändert“.  

Die Neuerungen durch KI werden die Fragestellungen mit denen sich Juristinnen und Juristen in der Zukunft beschäftigen müssen und die juristischen Berufe gleichermaßen transformieren. Deshalb überraschte es nicht, dass dieses Thema für die zweite Ausgabe der Veranstaltungsreihe JurVOICE von den Studierenden unter vier Themen ausgewählt wurde. Dass die Fachschaft, die die JurVOICE-Reihe organisiert, damit ein Thema angestoßen hatte, was viele bewegt, zeigte sich auch daran, dass an diesem Donnerstag bei mehr als 30°C Außentemperatur rund 100 Menschen im Raum 1507.005 saßen.

Wer soll für Entscheidungen eines KI-basierten Systems haften?

Der Abend war zweigeteilt. Zunächst ging es um die Herausforderungen für das Recht durch neue Entwicklungen auf Grundlage von KI. Dabei stellt sich auch vermehrt die Frage nach der Haftung für ein System, das auf Grundlage von selbst entwickelten Parametern Entscheidungen trifft. Sollte der Programmierer, der Ingenieur oder doch der Letzt-Anwender dafür haften?

Das hochkarätig besetzte Podium konnte von vielen unterschiedlichen Perspektiven profitieren. Frau Prof. Dr. Beck (Lehrstuhl für Strafrecht, Strafprozessrecht, Strafrechtsvergleichung und Rechtsphilosophie) forscht bereits seit rund 10 Jahren zu Fragen der Regulierung von künstlicher Intelligenz und Robotik, ist Mitglied der Robotics and AI Law Society (RAILS) und warf viele Fragen auf, über die eine gesellschaftliche Debatte geführt werden sollte, bevor die Systeme unseren Alltag prägen. Sie meinte, dass man sich auch gesellschaftlich auf ein Haftungskonzept einigen müsse: Man könne nicht die Vorteile der Technologie nutzen wollen und jede Haftung aber auf den Ingenieur abwälzen. Zugleich betonte sie, dass die zukünftigen KI-basierten Technologien große Entwicklungspotentiale in vielen Feldern bieten.

Herr Wolf merkte dazu an: „Die Fragen, die sich in Dilemma Situationen stellen – sollte ein selbstfahrendes Auto ein Kind oder einen alten Menschen überfahren, wenn sich ein Zusammenstoß so oder so nicht vermeiden lässt – werden wir nie beantworten. Aber auch heute haftet der Autofahrer für Schäden, unabhängig von seiner tatsächlichen Verantwortung.“

Die Beteiligung des Publikums steht bei JurVOICE-Veranstaltungen im Zentrum: Auf dem Podium stand auch an diesem Abend ein freier Sessel auf dem man zu jederzeit Platz nehmen und an der Diskussion teilnehmen konnte. Auch konnte man den Moderatoren eine Frage auf ein Tablet schicken, um sich in die Diskussion einzubringen. Schon nach wenigen Minuten der Diskussion erhielten die Moderatoren die erste Frage aus dem Publikum. Auch das war ein Zeichen für das große Interesse in der Studierenden an dem Thema.

Wie verändert sich durch KI der juristische Arbeitsmarkt?

Im zweiten Teil des Abends sollte es um die Auswirkungen der Entwicklungen auf die juristischen Berufe in der Zukunft gehen:

Herr Prof. Dr. Wolf, der u.a. mit dem Anwaltsorientierten Zertifikatsstudium (ADVO-Z) daran arbeitet, Studium und Praxis zu verbinden, konnte berichten, dass die Vorlesung zum Thema Legal Tech schon heute zugleich Studierende der Rechtswissenschaften und der Informatik-Studiengänge an der LUH adressiert. Und dass er daran arbeitet in Hannover ein Legal Tech Inkubator zu initiieren, wo Jura Studierende und Studierende aus IT Studiengängen zusammen Legal Tech Software entwickeln sollen.

Der ehemalige vorsitzende Richter am 4. Senat des BAG und ehemalige Justizminister Thüringens, Harald Schliemann konnte viele Fragestellungen, die sich beim Einsatz von KI-basierten oder autonomen Systemen ergeben, auf bereits existierende juristische Diskussionen zurückführen. Er ist sich in Bezug auf den zukünftigen Arbeitsmarkt  sicher, dass sich an dem grundsätzlichen Tätigkeitsfeld der Juristinnen und Juristen nichts ändern wird. Für ihn gehört auch zu einer richterlichen Entscheidung mehr als ein Ablauf logischer bzw. algorithmischer Prozesse.

Herr Dr. Schulz, Partner im IT-Bereich bei Taylor Wessing in der Hamburger Niederlassung, konnte aus der Praxis berichten welche Systeme bereits jetzt Einzug erhalten haben. Auch deshalb warnte er davor, die Entwicklungen zu schnell zu verteufeln: „KI basierte Systeme werden den Anwaltlichen Beruf verändern, wahrscheinlich werden sie auch Teile des Berufs übernehmen. Das wird unsere Arbeit besser machen.“

Großer Dank und kleiner Ausblick

Für diesen spannenden, lehrreichen und unterhaltsamen Abend möchten wir uns ganz herzlich bei Prof. Dr. Susanne Beck, Prof. Dr. Christian Wolf, Dr. Carsten Schulz und Herrn Harald Schliemann für ihre Expertisen, Einschätzungen und Gedankenanstöße bedanken.

Großer Dank gilt außerdem dem gesamten Fachschaftsteam für die Organisation sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Dekanats für die Unterstützung bei der Durchführung der Veranstaltung.

Als nächstes wird sich die Fachschaft im Rahmen der neuen Veranstaltungsreihe JurPerspective am 25.10.2018 um 19.00 Uhr dem Werdegang eines einzelnen Juristen, Herrn Dr. David Klein, Salary Partner bei Taylor Wessing, im 1-zu-1-Gespräch zuwenden. Alle Informationen dazu finden Sie in Kürze auf der Facebook Seite der Fachschaft.

Die JurVOICE-Reihe wird im Wintersemester 2018/19 mit einem neuen Thema fortgesetzt werden.

Verfasst von stud. iur. Martin Suchow.

Aftermovie und Bildergalerie

Ein kleines Aftermovie sowie eine kleine Bildergalerie von der Veranstaltung finden Sie hier.

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