Schwerpunktbereich 1: Familien- und Erbrecht sowie Grundlagen des Rechts

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Methodisch ist das Schwerpunktstudium im SP 1 am Konzept der angewandten Theorie ausgerichtet. Diese Ausrichtung ist kein Selbstzweck, sondern folgt der auch für die Rechtswissenschaft gültigen Erkenntnis, dass Theorien der Wissenschaft ihre hinreichende wissenschaftstheoretische Legitimation erst aus ihrer Praxistauglichkeit beziehen und dass umgekehrt der konkrete Nachweis ihrer Praxisuntauglichkeit für die Wissenschaft immer der Anlass war und auch weiterhin sein muss, eine ihrem Wissenschaftsgegenstand besser angepasste Theorie zu formulieren.

Innerhalb des Privatrechts lassen sich das Familien- und Erbrecht gut mit Fragestellungen aus dem Bereich der Grundlagen des Rechts kombinieren. Denn einerseits bilden Familien- und Erbrecht nicht nur wegen der Systematik des BGB, sondern auch durch ihren Regelungsgehalt einen integralen Teil des Privatrechts. Andererseits bieten die jeweils allein für das Familien- und Erbrecht spezifischen inhaltlichen Prinzipien und Regelungstechniken die Möglichkeit zum Vergleich innerhalb des Privatrechts und damit zum besseren Verständnis des Privatrechts überhaupt.

  • I. Voraussetzungen

    Für eine Teilnahme am Schwerpunkt 1 sind folgende Voraussetzungen notwendig:

    • erfolgreiche Absolvierung der Zwischenprüfung
    • erfolgreiche Teilnahme an einem Proseminar
  • II. Fächer

    Gegenstand des Schwerpunktbereichs sind die Fächer: „Familienrecht", „Erbrecht", „Rechts- und Zeitgeschichte einschließlich Methodengeschichte“ sowie „Rechtstheorie einschließlich angewandter Methodenlehre“ (§ 23 Abs. 2 Satz 1 SPBPO).

    Familien- und Erbrecht

    • rechtstheoretischer Strukturvergleich zwischen dem Familien- und Erbrecht einerseits und dem sonstigen Privatrecht des BGB andererseits
    • kollisionsrechtliche und rechtsvergleichende Aspekte des Familien- und Erbrechts

    Rechts- und Zeitgeschichte einschließlich Methodengeschichte

    • schwerpunktmäßig Privatrechtsgeschichte
    • Geschichte des Rechts sowie Geschichte der Rechtswissenschaft, d.h. die Geschichte ihres Systems und ihrer Methoden
    • Gegenwartsbezug der Rechtsgeschichte
    • Verständnis der Rechtsgeschichte als Problemgeschichte
    • geschichtliche Rekonstruktion von Lösungsansätzen für konkrete Problemlagen

    Rechtstheorie einschließlich angewandter Methodenlehre

    • Analytisches Untersuchen wiederkehrender Strukturen und Grundbegriffe des Rechts aller Rechtsgebiete einer einzelnen Rechtsordnung, aber auch über die Rechtsordnungen unterschiedlicher Länder hinaus
    • „Allgemeine Rechtslehre“ für die gesamte Jurisprudenz
    • rechtstheoretische Untersuchung für ein besseres Verständnis der Rechtssprache und der Rechtsformen
    • rechtsgebiets- und länderübergreifende Gemeinsamkeiten und Unterschiede
    • Begriff und Geltungsgrund des Rechts sowie die Frage nach den Rechtsquellen und der Anwendung des Rechts
    • Lehre von der Anwendung des Rechts
    • Kriterien und Hilfsmittel für eine möglichst rationale Konkretisierung der Rechtsnormen im konkreten Einzelfall
    • juristische Methodenlehre
  • III. Lehrveranstaltungen

    Rechtstheorie/ Angewandte Methodenlehre im Zivilrecht

    • Lehre vom Rechtssatz (Lehre von der logischen Struktur und den unterschiedlichen Arten von Rechtssätzen)
    • Geschichte der Rechtstheorie
    • ausgewählte Textstudien unterschiedlicher kontinental-europäischer und anglo-amerikanischer Erklärungs- und Deutungsansätze aus der Rechtstheorie

    Familien- und Erbrecht – Vertiefung

    • familien- und erbrechtliche Spezialfragen im Schnittfeld von Rechtsdogmatik, Rechtstheorie und vergleichender Rechtsgeschichte
    • Analyse und Erörterung aktueller höchstrichterlicher Rechtsprechung

    Rechtsgeschichte – mit Bezügen zur Familien- und Erbrechtsgeschichte

    • europäische Privatrechtskodifikation
    • insb. familien- und erbrechtsgeschichtliche Entwürfe

    Rechtshistorische Quellenexegese und Vorbereitung auf die Studienarbeit in Rechtsgeschichte und Familienrecht

    • praktische Vorbereitung zur Anfertigung der Studienarbeit
    • rechtshistorische Exegese- und Arbeitstechniken

    Juristische Argumentationslehre

    • professionelle Textanalyse
    • Erkennen und Verwenden unterschiedlicher Möglichkeiten der Sachverhaltsdarstellung und juristischer Argumentation
    • systematische Vermittlung juristischer Argumentationsformen
    • Arbeit am konkreten Fall

    Familiengerichtliches Verfahren

    • Vertiefung aktueller Probleme aus dem Familien- und Familienverfahrensrecht
    • methodische Aspekte einzelner Gerichtsentscheidungen

    Erfahrungen mit der Reformpraxis im Familienrecht

    • Ursachen für Reformen
    • Intentionen des Gesetzgebers
    • rechtliche und soziale Auswirkungen neuer und novellierter Gesetze
    • Vorbereitung auf das Referat, sowie die mündliche Prüfung

    Familien- und Erbrecht im internationalen Vergleich

    • rechtlich unterschiedliche Lösungen nationaler Rechtsordnungen für zentrale Fragen des Familienrechts (Ehegüter-, Scheidungs- und Unterhaltsrecht) sowie für grundlegende Fragen des Erbrechts (Erbberechtigung, Erbfolge, Schranken der Testierfreiheit)
    • rechtsvergleichende, rechtstheoretische und rechtssoziologische Perspektive
    • Aspekte der gender-Forschung

    IPR I

    • Bestimmung anwendbaren Rechts (Funktionen und Methoden)
    • Familien- und Erbrecht

    Seminare zur Vorstellung der Studienarbeit

    • Seminar zur Methode des Zivilrechts
    • Familienrechtliches und rechtsgeschichtliches Seminar
    • Familien- und erbrechtliches Seminar
    • Familienrechtliches Seminar
    • Seminar zur Reformpraxis im Familienrecht

    Rechtsgeschichte mit Bezügen zum Familien- und Erbrecht

    Rechtshistorisches Forschungskolloquium

    • familien- und erbrechtsgeschichtliche Spezialfragen
    • Reformforderungen der frühen Frauenrechtsbewegung im 19. und beginnenden 20. Jahrhundert
  • IV. Leistungsnachweise und Prüfungen

    Folgende Leistungen sind im Rahmen des Schwerpunkt 1 zu erbringen:

    • Belegung von Lehrveranstaltungen im gewählten Schwerpunkt im Umfang von mind. 16 SWS
    • die Anfertigung einer Studienarbeit aus den Bereichen "Rechts- und Zeitgeschichte einschließlich der Methodengeschichte“, „Rechtstheorie einschließlich angewandter Methodenlehre“, „Familienrecht“ und "Erbrecht" (§ 23 Abs. 2 Satz 2 SPBPO)
    • Vorstellung dieser Studienarbeit im Rahmen eines Seminars durch einen ca. 20 minütigen Vortrag, sowie eine anschließende Diskussion (insgesamt nicht mehr als 45 Minuten)
    • mündliche Prüfung im Schwerpunkt

    Weitere Informationen zur Schwerpunktbereichsprüfung können der Schwerpunktbereichsprüfungsordnung entnommen werden.

  • V. Berufschancen

    Gerade die über die Grundlagenfächer vermittelten Fähigkeiten zu strukturellem Denken und zur sauberen juristischen Argumentation sind Schlüsselqualifikationen für den praktischen Juristenberuf. Diese Schlüsselqualifikationen, die Rechtsreferendare bereits zu Beginn ihrer Ausbildung beherrschen sollten, werden angesichts der unter den Juristen immer stärker zunehmenden Konkurrenzsituation noch an Bedeutung gewinnen. Unter den Studierenden der Rechtsfakultäten werden heute nur noch wenige sein, die bereits während des Studiums einigermaßen sicher vorhersehen können, mit welchen spezifischen Rechtsmaterien sie sich einmal beruflich beschäftigen müssen. Umso wichtiger ist es daher, dass jeder Jurist sein methodisches Handwerkszeug beherrscht und damit in der Lage ist, sich in neue Rechtsmaterien schnell und erfolgreich einzuarbeiten.

    Den Kern der Lehre von der Rechtsanwendung bildet die juristische Methodenlehre. Sie liefert aus der Richterperspektive eine Anleitung zur Rechtsanwendung im Spannungsverhältnis von Freiheit und Bindung durch das geltende Recht. Aus der Perspektive der Rechtsberatung erleichtert die juristische Methodenlehre die Möglichkeiten zur Prognose einer richterlichen Entscheidung.

    Ferner sind das Familien- und Erbrecht zentrale Felder rechtsanwaltlicher Berufstätigkeit. Dies wird sich allein mit Blick auf die ständige Zunahme der Bedeutung von Scheidungen, auch schon - in Gestalt von Scheidungsfolgenverträgen - vor der Eheschließung, und ferner aufgrund der in den kommenden Jahren zu erwartenden Vervielfachung erbfallbedingter Vermögensbewegungen voraussichtlich noch verstärken. Dabei spielen aufgrund der Migrationsbewegungen nach Deutschland, zunehmend aber auch von Deutschland in das - insbesondere europäische - Ausland, kollisionsrechtliche und rechtsvergleichende Aspekte des Familien- und Erbrechts eine immer größere Rolle.

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