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Newsletterausgabe #14 vom 16. November 2020

Herzlich willkommen zu unserem nächsten Newsletter! Wir präsentieren Ihnen diesmal nicht nur eine ganz besonders umfangreiche Ausgabe, sondern freuen uns auch über ein Editorial von Prof. Dr. Volker Epping, dem Präsidenten unserer Universität.

Neben den Neuigkeiten der vergangenen 14 Tage finden Sie im Folgen zwei Veranstaltungsberichte und einen Überblick über die neuesten Videos des Projekts "JurClip". Darüber hinaus haben wir eine Reihe neuer Veranstaltungshinweise sowie eine kleine Auswahl aktueller, potentiell examensrelevanter Rechtsprechung für Sie zusammengetragen.

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— Das Web-Team der Juristischen Fakultät Hannover

Ihre LUH und der Verfassungsstaat in Zeiten von Corona

Liebe Studierende,
liebe Mitglieder der Fakultät,

das Pandemiegeschehen stellt seit März unser Universitätsleben vor große Herausforderungen und greift tief in die Gemeinschaft von Lernenden und Lehrenden ein. Gerade diese Gemeinschaft aber ist es, für die Ihre Universität vom Selbstverständnis her steht und die für alle Mitglieder der Leibniz Universität unabdingbar zum Studieren, Lehren, Forschen und Arbeiten dazugehört. In unserem ersten Online-Semester im Sommer haben wir erfahren, wie essentiell der Diskurs face to face zwischen Lernenden und Lehrenden in Präsenz, aber auch das soziale Miteinander an der Universität ist. Netzwerke knüpfen, Lerngruppen bilden, Ihr Treffen und Ihr Austausch, das Zusammensein mit Kommilitoninnen und Kommilitonen sind wesentlich für eine lebendige Universitätskultur und einen mit Leben erfüllten Campus.

Auch in Zukunft, und dafür werde ich mich mit allen Möglichkeiten einsetzen, sollen Universitäten zuallererst Präsenzeinrichtungen sein, die identitätsstiftend wirken und auch als Heimat von Ihnen wahrgenommen werden. Aus vielen E-Mails und persönlichen Begegnungen weiß ich, wie sehr das auch von Ihnen gewünscht wird und wie sehr Ihnen "Ihre Universität", nicht zuletzt mit ihrer Infrastruktur, studentischen Arbeitsflächen und Begegnungsräumen im gewohnten Umfang fehlt.

Für uns als Universität sind aber die sich je nach Infektionsgeschehen ändernden Regelungen der niedersächsischen Corona-Verordnung maßgeblich und der Schutz von allen Mitgliedern der Leibniz Universität hat oberste Priorität. Die AHAL-Regeln bestimmen daher unser Universitätsleben auch weiterhin.

Nachdem wir am 12. Oktober in unsere Hybrid-Semester gestartet sind, haben wir – bedingt durch das Pandemiegeschehen – den Vorlesungsbetrieb nach drei Wochen mit kleinen Gruppen in Präsenz Anfang November wieder reduzieren müssen. Stattfinden können nun nur noch alle Präsenzveranstaltungen, die für den Fortgang des Studiums zwingend notwendig sind. Dies sind vor allem Praktika, Laborpraktika und Abschlussarbeiten. Größere Veranstaltungen haben wir von Beginn der Vorlesungszeit an schon digital durchgeführt.

Ich bin nach den Erfahrungen des Sommersemesters zuversichtlich, dass wir mit dem notwendigen Verantwortungsbewusstsein die Herausforderungen des Wintersemesters gemeinsam bewältigen werden. Ziel muss es sein, dass Sie Ihr Studium weitgehend planmäßig absolvieren können. Seien Sie versichert, dass wir alles Notwendige tun werden, dass Sie ungeachtet des Pandemiegeschehens Ihr Studium erfolgreich fortsetzen bzw. beenden werden.

Die Corona-Pandemie führt aber nicht nur zu Einschränkungen des Universitätsbetriebs, sondern zu z.T. sehr weitgehenden Einschränkungen von Freiheitsrechten überhaupt. Wie die Gerichte auch jetzt wieder durchgängig judiziert haben, sind diese massiven Grundrechtseingriffe zur Erreichung des legitimen Ziels, weitere Infektionsfälle zu verhindern und eine möglichst umfassende medizinische Versorgung an COVID-19 erkrankter Personen zu gewährleisten zulässig, sofern sie geeignet, erforderlich und angemessen sind. Und damit komme ich zu meinem juristischen Teil des Editorials, in dem ich drei Punkte im Kontext der Pandemie ansprechen möchte:

  • Bereits die ersten Monate der Pandemie haben sehr deutlich gemacht, dass für die getroffenen und die zu treffenden Maßnahmen die wissenschaftliche Bewertung maßgeblich ist, auf die die politische Bewertung aufzubauen hat. Hierbei wird, die Situation der Ungewissheit immer noch konstatierend, nicht nur durch die Rechtsprechung eine Grenze der Amtsermittlungsplicht zugestanden. Stößt die gerichtliche Kontrolle nach weitest möglicher Aufklärung an die Grenze des Erkenntnisstandes von Wissenschaft und Praxis, zwingt Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG die Gerichte nicht zu weiteren Ermittlungen, sondern erlaubt ihnen, ihrer Entscheidung insoweit die plausible Einschätzung der Behörde zu der fachlichen Frage zugrunde zu legen. Den Gerichten ist es nämlich dann objektiv unmöglich, den Sachverhalt vollständig aufzuklären und eine abschließende Überzeugung davon zu gewinnen, ob das Ergebnis der Entscheidung der Behörde richtig oder falsch ist. Die Grenzen der gerichtlichen Kontrolle ergeben sich – so explizit das Bundesverfassungsgericht (Beschl. v. 23.10.2018, Az. 1 BvR 2523/13 und 595/14) – hier nicht daraus, dass der Verwaltung eine Einschätzungsprärogative eingeräumt wäre, sondern rühren schlicht daher, dass sich die Richtigkeit des Ergebnisses der Verwaltungsentscheidung objektiv nicht abschließend beurteilen lässt. Mithin geht es um die Plausibilität der zu treffenden Entscheidungen, die dann aber auch unter den Maßgaben des Art. 3 Abs. 1 GG dem Gleichbehandlungsgrundsatz Rechnung tragen.
  • Wesentliche Entscheidungen unterfallen dem sog. Parlamentsvorbehalt, namentlich Eingriffe in den Grundrechtsbereich. Hier wird angesichts der flächendeckenden und sehr intensiven Eingriffe ein Rückzug auf die gesetzliche Ermächtigung der Exekutive kaum mehr tragfähig sein, wenn das Parlament arbeitsfähig ist. So hat bereits der Verwaltungsgerichtshof (VGH) Baden-Württemberg judiziert (Beschl. v. 09.04.2020, Az. 1 S 925/20), dass nach § 28 Abs. 1 IfSG die notwendigen Schutzmaßnahmen getroffen wenden können, die eine Verbreitung der Krankheit verhindern. Dabei sei es auch zulässig, dass damit Maßnahmen mit präventiver Wirkung einhergehen, wie etwa die Betriebsschließung. Nach Auffassung des Gerichts ist damit aber noch lange nicht geklärt, ob § 32 i.V.m. § 28 Abs. 1 Satz 1, 2 IfSG eine verfassungskonforme Ermächtigungsgrundlage für eine landesweite Schließung von Betrieben ist. Solche wesentlichen Entscheidungen dürften nicht der Exekutive überlassen werden, betonte der VGH. Zwar habe sich der Gesetzgeber bewusst für eine generelle Ermächtigung entschieden, um den vielfältigen Krankheitserregern und Risiken gerecht zu werden. Jedoch komme es zu gravierenden Grundrechtseingriffen im Rahmen der zahlreichen Schließungen von Einrichtungen und Geschäften. Solch tiefe Grundrechtseingriffe könnten indes nicht auf der Grundlage einer Rechtsverordnung ergehen, befanden die Richter. Dies alles könne dafür sprechen, dass die Normen des IfSG gegen den Parlamentsvorbehalt verstoßen. Letztlich konnte das Gericht diese Frage aber im Eilverfahren offenlassen. Auch aus politischer Klugheit ist daher eine Einbeziehung des Parlaments in diesen Fragen (Änderungen der Corona-VO) dringend angezeigt. Dass derzeit allenthalben aus den Parlamenten artikulierte Lamento der nicht ausreichenden Beteiligung hat aber zwei Seiten: Zum einen tragen in der Regel die regierungstragenden Fraktionen das Agieren „ihrer“ Regierung mit, zum anderen kann das Parlament – sollte es sich wirklich „entmachtet“ fühlen – jederzeit das Heft in die Hand nehmen und sei es – bezogen auf die Bundesebene – durch Änderung des IfSG.
  • Der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Stephan Harbarth, hat jüngst in einem Interview, das auch in der HAZ zu lesen war, sehr treffend ausgeführt, dass der Rechtsstaat im Rahmen der Pandemie funktioniert, auch wenn dies einige wenige nicht akzeptieren wollen. Denn wer die Corona-Einschränkungen ablehnt, kann dagegen demonstrieren; jeder kann seine abweichende Meinung äußern. Und: Wer seine Grundrechte verletzt sieht, kann den Rechtsweg beschreiten. Dass dies keineswegs aussichtslos, also kein Lippenbekenntnis ist, zeigen u.a. die Judikate, die immer wieder Demonstrationen gegen die Corona-Einschränkungen erst ermöglicht haben. Aber auch andere Restriktionen, die namentlich die wirtschaftliche Betätigung eingeschränkt hatten, sind von den Gerichten aufgehoben, andere hingegen bestätigt worden. Grundrechte gelten – und dies ist juristisches Allgemeinwissen – grundsätzlich nicht absolut. Mit den in Rede stehenden Grundrechten aus Art. 8 Abs. 1, Art. 5 Abs. 1 und Art. 12 Abs. 1 GG kollidiert in diesem Kontext das Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit, Art. 2 Abs. 1 GG. Diese Grundrechte sind nicht erst durch die Gerichte, sondern bereits bei Erlass von Restriktionen von der Legislative und der Exekutive in Einklang, um mit den Worten von Konrad Hesse zu sprechen, in praktische Konkordanz zu bringen. Bei der Überprüfung durch die Gerichte hat sich gezeigt, dass unsere Gerichtsbarkeit bemerkenswert funktionstüchtig ist. Unzählige Entscheidungen sind in der Regel zeitnah im Wege von Eilentscheidungen ergangen – zuweilen 24/7!

Dies sind nur drei Punkte von vielen anderen, die auch eine Erörterung verdient hätten, aber den Rahmen eines Editorials gesprengt hätten. Diese exemplarischen Punkte exemplifizieren m.E. sehr gut die tragende Bedeutung des Verfassungsrechts, die auch im Studium nicht aus dem Auge verloren werden sollte. Im Studium begegnen Sie dem Staatsrecht verstärkt in den beiden Anfangssemestern und dann (erst) wieder am Ende des Studiums im Rahmen der Examensvorbereitung. Dessen ungeachtet sind Sie als junge Juristinnen und Juristen auch im persönlichen Umfeld immer wieder gefordert, rechtliche Einschätzungen zu politischen Entscheidungen zu geben. Sich der verfassungsrechtlichen „Basics“ zu erinnern und diese auch in der Diskussion zur Anwendung zu bringen, schult nicht nur Ihre juristische Argumentationsfähigkeit, sondern stärkt auch die Überzeugungskraft Ihrer Argumentation in der politischen Debatte. Diese in diesen Zeiten zu suchen und zu führen ist zwingend geboten, auch und gerade in unserer wehrhaften Demokratie. Dieses Bekenntnis zu unserer verfassten Staatlichkeit ist hier und heute geboten, denn ich glaube, auch in Ihrem Sinne davon auszugehen, dass wir diese bewährte Verfasstheit unseres Staates erhalten wollen. 

Ich wünsche Ihnen trotz aller Corona bedingten Widrigkeiten ein erkenntnis- sowie ertragreiches Semester und hoffe, dass Sie gesund durch die Pandemie kommen. Denken Sie bitte immer daran, dass es vor allem an unserem Verhalten liegt, dass wir die Pandemie mit allen ihren negativen Auswirkungen gut bewältigen.

Ihr

Volker Epping

 


Neuigkeiten

Zwischenprüfungsklausuren: Fakultätsrat beschließt Ersetzung der Klausuren durch Kurzarbeiten

Der Fakultätsrat hat im Rahmen der Sitzung vom 04. November 2020 beschlossen, dass die Klausuren für die zwischenprüfungspflichtigen Fächer im Wintersemester 2020/2021 in Form von Kurzarbeiten zu absolvieren sind. Zur Übersicht aller Termine samt Formvorgaben gelangen Sie hier.

Gorgias- und Alkidamas-Wanderpreise für das Rhetorik und Didaktik für das Wintersemester 2019/20 und Sommersemester 2020 verliehen

Die Juristische Fakultät verleiht regelmäßig den Gorgias-Lehrpreis für Rhetorik und Didaktik sowie den Alkidamas-Preis für Rhetorik und Didaktik auf Grundlage der Lehrevaluationen. Dank der Mitwirkung der Studierenden bei der Lehrevaluationen im Wintersemester 2019/20 und im Sommersemester 2020 konnten sowohl für den Gorgias- als auch den Alkidamas-Preis jeweils die besten drei Lehrveranstaltungen bestimmt werden. Weiterlesen...

Weitere Neuigkeiten

Weitere Neuigkeiten an der Juristischen Fakultät Hannover finden Sie hier.

 


Neue Videos bei JurClip

Unter dem Titel "JurClip" erscheinen in diesem Semester jeden Montag kurze Videoclips zum strafrechtlichen Pflichtfachstoff. Das Projekt ist eine Initiative des Lehrstuhls für Strafrecht, Strafprozessrecht, Strafrechtsvergleichung und Rechtsphilosophie (Frau Prof. Dr. Beck).

Die neuesten Clips behandeln folgende Themenbereiche:

Ein Übersicht über alle verfügbaren Clips finden Sie hier.

 


Rückblick

Tipps für Lernstrategien: Rückblick auf die Online-Veranstaltung „Toolbox“

Am 03. November 2020 fand die Premiere des neuen Formates „Toolbox“ des studentischen gemeinnützigen Vereines InterAct Law e.V. statt. Zu Gast war Maximilian Nussbaum, Wissenschaftlicher Mitarbeiter und Doktorand am Lehrstuhl von Prof. Dr. Beck. Ziel der Veranstaltung war es, Studierenden die Möglichkeit zu geben, von Herrn Nussbaums Studien- und Examenserfahrungen zu profitieren. Weiterlesen...

Rückblick auf den 8. Soldan Moot Court 2020: Teams aus Hannover für Klage- und Beklagtenschriftsätze ausgezeichnet

Auch beim 8. Soldan Moot Court zur anwaltlichen Berufspraxis wurde unsere Fakultät erfolgreich von den Teilnehmenden aus Hannover vertreten. Erstmalig fand dieser aufgrund der Corona-Pandemie komplett online statt. Weiterlesen...

 


Anstehende Veranstaltungen

  • Mittwoch, 18. November 2020 | 19.00 - 20.00 Uhr 
    Eine neue Zeit. Ein neuer Geist? – Aufarbeitung der NS-Zeit an der Leibniz Universität Hannover
    Online Buchvorstellung des Werks „Eine neue Zeit. Ein neuer Geist? Eine Untersuchung der nach 1945 an der Technischen Hochschule Hannover tätigen Professoren unter besonderer Berücksichtigung der Rektoren und Senatsmitglieder“

Einen Überblick über alle anstehenden Veranstaltungen finden Sie hier

 


Aktuelle Rechtsprechung

Zur Vorbereitung auf das Examen bietet die Juristische Fakultät mit JurOnlineRep eine Datenbank zur Übersicht über die aktuellste Rechtsprechung mit Examensrelevanz.

Ein paar der jüngsten Entscheidungen finden Sie im folgenden:

 


Kontakt

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