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Newsletterausgabe #17 vom 25. Januar 2021

Nach einer kleiner Pause melden wir uns zurück mit der ersten Newsletterausgabe des Jahres 2021. Diesmal freuen wir uns über ein Editorial von Herrn Prof. Dr. Hermann Butzer.

Durch die Newsletterpause hat sich eine ganze Reihe an Neuigkeiten und Ankündigungen angesammelt, die wir hier zusammengetragen haben. Davon möchten wir insbesondere zwei Themen hervorheben: Einerseits die online Uni-Wahlen, bei denen Studierende und Mitarbeitende noch bis zum 29. Januar ihre Vertretung in verschiedenen Organen und Gremien wählen können. Andererseits möchten wir die Fortgeschrittenen unter Ihnen einladen, sich als Schiedsrichterin oder Schiedsrichter beim Hannover PreMoot zu engagieren, um möglichst vielen der interessierten Teams aus aller Welt eine Teilnahme zu ermöglichen. Mehr dazu im Folgenden.

Außerdem finden Sie auch in dieser Ausgabe einen Veranstaltungsbericht, einen Überblick über die neuesten Videos des Projekts "JurClip", einen neuen Beitrag der Reihe "Kennst du schon?" und zum Abschluss einige Veranstaltungshinweise sowie eine kleine Auswahl aktueller, potentiell examensrelevanter Rechtsprechung.

Wir wünschen eine gewinnbringende Lektüre. Falls Sie den Newsletter noch nicht abonniert haben, können Sie das hier nachholen.

— Das Web-Team der Juristischen Fakultät Hannover

Welche Kontinuitäten und Diskontinuitäten bestehen zwischen der Reichsverfassung von 1871 und dem Grundgesetz?

Liebe Studierende,
liebe Mitglieder der Fakultät,

in diesem Jahr jährt sich die Gründung des Deutschen Reichs zum 150. Mal. Im Kaiserreich und auch noch in der Weimarer Republik wurde diesbezüglich meist der 18. Januar 1871 genannt, der Tag, an dem der preußische König Wilhelm I. zum Deutschen Kaiser proklamiert worden war. Schon seit einigen Wochen wurde damals die französische Hauptstadt Paris von den deutschen Koalitionstruppen belagert. Sitz des Hauptquartiers der deutschen Armeen war Versailles. Die preußische Führung und – zumindest teilweise – die regierenden Fürsten der verbündeten Staaten waren um Paris versammelt. Diese Umstände und möglicherweise auch der Wille, die Stellung als (neue) europäische Großmacht kundzutun, führten zur Proklamation im prachtvollen Spiegelsaal im Schloss Versailles, den der eine oder andere von Ihnen vielleicht schon einmal im Rahmen einer Paris-Reise besucht hat.

Staats- und völkerrechtlich betrachtet war die Kaiserproklamation und die Ausrufung des Deutschen Reichs aber nur ein Akt der förmlichen Amtseinweisung und Amtsergreifung. Denn das Deutsche Reich war zu diesem Zeitpunkt schon existent: Nach dem gemeinsamen Sieg der deutschen Staaten im Deutsch-Französischen Krieg waren die süddeutschen Staaten Baden, Württemberg, Bayern und Hessen mit seinen Gebieten südlich des Mains nämlich mit Wirkung vom 1. Januar 1871 dem von Preußen 1867 ins Leben gerufenen Norddeutschen Bund beigetreten, der nunmehr kurzzeitig als „Deutscher Bund“ auftrat. Und ebenfalls am 1. Januar 1871 trat die neue Bundesverfassung in Kraft. Ihr folgte später eine redigierte Fassung vom 16. April 1871, die heute meist als die Bismarck'sche Reichsverfassung bezeichnet wird. Diese Verfassung trat am 4. Mai 1871 rückwirkend zum 1. Januar 1871 in Kraft. Dessen ungeachtet ist der 18. Januar 1871, ein Mittwoch, im Bewusstsein der Deutschen der eigentliche Reichsgründungstag geblieben.

Die Reichsverfassung von 1871 galt nach der Reichsgründung fast fünfzig Jahre lang ohne we­sent­liche Änderungen. Bewertet man ihre nur 78 Artikel, standen – das ist das erste Charakteristikum – fortschrittliche Ideen neben Passagen, welche hinter den Anforderungen ihrer Zeit und dem Stand der Verfassungsdiskussion um 1870 weit zurückblieben. Modern für damalige Verhältnisse war etwa die Konsequenz, mit der die Ideen der Gewaltenteilung und Gewaltenverschränkung umgesetzt waren. Und der Reichstag war nahezu die erste Volksvertretung in Europa, welche aus allgemeinen, freien, geheimen und gleichen Wahlen hervorging. Andererseits war die Stellung des Monarchen in der Exekutive wenig in die Verfassung eingeordnet, und der Reichskanzler war nur an einer einzigen Stelle in der Verfassung erwähnt, aber nicht geregelt. Rückständig war auch, dass die Reichsverfassung keinen Grundrechtsteil enthielt und die Justiz in ihr kaum vorkam.

Charakteristisch für die Reichsverfassung von 1871 ist zum zweiten ihre Knappheit. Die Lückenhaftigkeit erwies sich dabei als Stärke. Indem die Verfassung vieles aussparte, gab sie auch keine negative Antwort. Von daher begannen der Reichstag, Teile der politischen Öffentlichkeit und die Staatsrechtswissenschaft bald, das innovatorische Potential der Verfassung auszuloten und zu nutzen. Sie interpretierten die Reichsverfassung als eine offene politische Form, welche die Aufgabe der Gestaltung des Reiches in weitem Umfang dem Gesetzgeber überließ. Dieser nutzte seine Möglichkeiten. Viele bedeutende Gesetze des Kaiserreichs, erinnert sei nur an die Reichsjustizgesetze (ZPO, StPO, GVG, KO), an das HGB, die GewO sowie an die Sozialversicherungsgesetze, bestehen in ihren Grundstrukturen bis heute. Nach der Jahrhundertwende unterschied sich jedenfalls im Rahmen ein und derselben Verfassung die politische Ordnung fundamental von derjenigen, die 1871 bestanden hatte.

Wie entwicklungsoffen die Reichsverfassung im Hinblick auf die Herausbildung einer echten parlamentarischen Regierung letztlich aber war, wird in der verfassungsgeschichtlichen Wissenschaft sehr unterschiedlich beurteilt: Einigkeit besteht nur darin, dass der Reichstag nach 1871 gegenüber der Reichsleitung, dem Kaiser und den im Bundesrat mitwirkenden Einzelstaaten erheblich an Macht und Einfluss gewann. Ein eher die obrigkeitsstaatlichen Elemente hervorhebendes Kaiserreich-Bild (etwa Fritz Fischer, Stürmer, Kehr, Wehler, Puhle, Böhme, Stegmann, Berghahn, Conze) sieht den Demokratisierungsprozess und die Parlamentarisierungschance dennoch eher skeptisch und verweist dafür – mit unterschiedlicher Gewichtung und Nuancierung – im Wesentlichen auf drei Faktoren: Auf das Machtkartell der reformfeindlichen Eliten, auf die Machtzersplitterung unter den tendenziell reformwilligen Kräften und auf das Machtvakuum infolge gegenseitiger Blockade rivalisierender Machtzentren. Den Parteien und ihren Abgeordneten sei es bis zuletzt allein um eine wirksame Kontrolle der Regierung, nicht jedoch um die Übernahme der Macht gegangen. Generell fügt sich diese eher kritische Sichtweise in eine Forschungsbetrachtung, die die gesellschaftlichen Strukturen im Kaiserreich als ursächlich für den Ersten Weltkrieg, den Nationalsozialismus und den Holocaust ansieht (These vom deutschen Sonderweg).

Gegen die These von der Reformunfähigkeit des Deutschen Kaiserreichs wird aber auch vertreten, dass bei ihr die dynamischen, modernen, bürgerlichen, rechtsstaatlichen und pluralistischen Elemente, Aufbrüche und Entwicklungstendenzen zu geringgeschätzt würden (so z.B. die Forscher Nipperdey, Eley, Blackbourn oder Evans). So habe sich zwischen 1871 und 1914 etwa ein ungeheurer wirtschaftlicher Aufschwung und Wohlstandsgewinn für alle vollzogen, die Infrastrukturen (Städtebau, Verkehr, Grundversorgung) seien hochdynamisch modernisiert worden, Künste, Handwerk, Ausbildung und Hochschulwesen seien aufgeblüht. Die Reichsverfassung von 1871 habe zur parlamentarischen Regierungsform hin tendiert (so z.B. Carl Schmitt, Frauendienst, Böckenförde, M. Rauh). Darauf wiederum baut dann die These von der „stillen“, in einem geradlinigen evolutionären Prozess ablaufenden Parlamentarisierung auf, die etwa seit 1900 und verstärkt noch seit 1906/1907 einen sukzessiven Lernprozess der Parteien und ihrer Führer konstatiert, der auf die Einübung einer parlamentarischen Mitregierung abzielte, die Kaiser und Bundesrat nach und nach immer geringeren Einfluss auf die Staatsgeschäfte gelassen hätte.

Die 150. Wiederkehr der Entstehung des ersten deutschen Nationalstaats im noch frischen Jahr 2021 bringt daher zahlreiche Fragen auf den Tisch: Wie beurteilen wir die Verfassungssituation des Kaiserreichs anhand der verfassungsrechtlichen Regelungen und der Verfassungswirklichkeit? Hätte sich das Verfassungsrechtssystem des Kaiserreichs ohne Weltkrieg und Novemberrevolution nach und nach zu einem demokratisch-parlamentarischen System entwickelt? Wie steht das Kaiserreich aus dem Blick des heutigen Verfassungsrechtsbetrachters da? Welche Kontinuitäten und Diskontinuitäten bestehen zwischen der Reichsverfassung von 1871 und dem Grundgesetz? Mein Rat: Lernen Sie nicht nur Dogmatik und Meinungsstreitigkeiten! Beschäftigen Sie sich auch einmal mit Verfassungsgeschichte und weiten Sie so Ihren Blick über das Kernjuristische hinaus.

Ich wünsche Ihnen trotz aller Corona bedingten Widrigkeiten eine erkenntnis- sowie ertragreiche vorlesungsfeie Zeit und hoffe, dass Sie und Ihre Angehörigen gesund durch die Pandemie kommen. Soweit für Sie Semesterabschlussklausuren und Hausarbeiten anstehen, wünsche ich Ihnen viel Erfolg!

Ihr

Hermann Butzer 

 


Neuigkeiten

Einladung zu den Uni-Wahlen 2021 per Onlineverfahren

Auch in diesem Jahr werden die Akademischen Wahlen per Onlineverfahren durchgeführt. Der Wahlzeitraum hat in diesem Semester bereits am 15. Januar 2021 begonnen und läuft noch bis zum 29. Januar 2021, 10.00 Uhr. Weiterlesen...

Hannover PreMoot 2021: Schiedsrichterinnen und Schiedsrichter gesucht

Bereits zum 15. Mal veranstaltet das Institut für Prozess- und Anwaltsrecht (IPA) vom 15. bis 20. Februar den Hannover PreMoot, der den Studierenden unserer Fakultät und weiteren teilnehmenden Teams als Vorbereitung auf die mündlichen Verhandlungen des Willem C. Vis Moot in Hong Kong und Wien dienen soll. Anders als in vergangenen Jahren wird die Veranstaltung ausschließlich online durchgeführt. Um möglichst vielen Team eine Teilnahme zu ermöglichen, werden noch Schiedsrichter und Schiedsrichter für die Verhandlungen des Wettbewerbs gesucht. Weiterlesen...

Hinweise zur Durchführung der Kurzarbeiten und des Probeexamens im Februar 2021

Aufgrund des anhaltend hohen Niveaus der Infektionszahlen hat das Präsidium der Leibniz Universität Hannover die Maßnahmen zur Einschränkung der Verbreitung des Sars-CoV2-Virus weiter verschärft. Im Zuge dessen werden im Zeitraum vom 25. Januar bis einschließlich 28. Februar 2021 keine Präsenzklausuren stattfinden. Weiterlesen...

Aktualisierte Öffnungszeiten der TIB am Standort Conti-Campus

Aufgrund der aktuellen pandemischen Entwicklung gelten mindestens bis zum 14. Februar 2021 an der Technischen Informationsbibliothek (TIB) am Standort Conti-Campus aktualisierte Öffnungszeiten. Weiterlesen...

Aktualisierte Öffnungszeiten der studentischen Arbeitsflächen

Unter Einhaltung der geltenden Abstands- und Hygieneregeln stehen den Studierenden der Leibniz Universität Hannover (LUH) in eingeschränktem Umfang Arbeitsflächen zur Verfügung. Die Öffnungszeiten hierfür wurden kürzlich aktualisiert. Weiterlesen...

Auf YouTube verfügbar: Fachschaft interviewt Dozent*innen

In Zeiten der Online-Lehre ist es besonders für die Erstsemesterstudierenden schwierig, sich ein Bild vom Uni-Leben und den Lehrenden zu schaffen. Der Fachschaftsrat Jura hat es sich deswegen einmal mehr zur Aufgabe gemacht, den Kommilitoninnen und Kommilitonen des ersten Semesters den Einstieg in den Alltag an der Universität zu erleichtern. Neben der Organisation einer Einführungswoche ist dieses Jahr ein neues Format hinzugekommen: „Interviews mit Euren Dozent*innen“. Weiterlesen...

VFS Hannover plant den Start Deutschlands erster Tax Law Clinic für 2021

Der VFS Hannover – Verein zur Förderung der Steuerrechtswissenschaft an der Leibniz Universität Hannover – wird im Laufe diesen Jahres in Hannover Deutschlands erste Tax Law Clinic starten. Weiterlesen...

Maskenpflicht auf dem gesamten Universitätsgelände

Zur Bekämpfung der Ausbreitung des Corona-Virus gilt seit dem 15. Dezember 2020 auf dem gesamten Universitätsgelände (auch in den Außenbereichen) eine Maskenpflicht. Weiterlesen...

Weitere Neuigkeiten

Weitere Neuigkeiten an der Juristischen Fakultät Hannover finden Sie hier.

 


Rückblick

Rückblick auf die Kennenlernaktion 'auf einen Cappuccino mit dem IPA'

„Auf einen Cappuccino mit…“ lautete die Einladung, mit der das Institut für Prozess- und Anwaltsrecht unter der Leitung von Professor Wolf Mitte Oktober Studierende für regelmäßige Treffen gewinnen wollte. Das Konzept dazu: einfach. Lehrende des Instituts und Studierende treffen sich wöchentlich über eine virtuelle Plattform und trinken ihren Cappuccino oder Tee. Weiterlesen...

 


Neue Videos bei JurClip

Unter dem Titel "JurClip" erscheinen in diesem Semester jeden Montag kurze Videoclips zum strafrechtlichen Pflichtfachstoff. Das Projekt ist eine Initiative des Lehrstuhls für Strafrecht, Strafprozessrecht, Strafrechtsvergleichung und Rechtsphilosophie (Frau Prof. Dr. Beck).

Die neuesten Clips behandeln folgende Themenbereiche:

Eine Übersicht über alle verfügbaren Clips finden Sie hier.

 


Kennst du schon?

Im Rahmen der Reihe „Kennst du schon?“ möchten wir den jüngeren Studierenden unserer Fakultät unsere Website und die Angebote unserer Fakultät vorstellen. 

Den Heimzugriff auf Onlineressourcen für Literatur

Der neueste Teil der Reihe „Kennst du schon?“ widmet sich dem Heimzugriff auf Onlineressourcen für Literatur. Weiterlesen...

Weitere Beiträge der Reihe

Alle Beiträge der Reihe "Kennst du schon?" finden Sie hier.

 


Anstehende Veranstaltungen

Einen Überblick über alle anstehenden Veranstaltungen finden Sie hier

 


Aktuelle Rechtsprechung

Zur Vorbereitung auf das Examen bietet die Juristische Fakultät mit JurOnlineRep eine Datenbank zur Übersicht über die aktuellste Rechtsprechung mit Examensrelevanz.

Ein paar der jüngsten Entscheidungen finden Sie im folgenden:

  • OLG Schleswig, Urteil vom 19.11.2020 – 7 U 214/19
    Begeht ein Verbandsfußballspieler vorsätzlich ein brutales Foulspiel im Sinne der Regeln des Deutschen Fußballbundes, so haftet er für die dadurch hervorgerufenen Verletzungen seines Gegners aus § 823 I.

  • OLG Celle, Urteil vom 16.12.2020 – 14 U 108/20
    Abschlag beim Zeitaufwand für die Versorgung eines Tieres wegen der allgemeinen Lebensfreude, die damit einhergeht.

  • OVG Münster, Urteil vom 10.08.2020 – 10 A 3633/18
    Baurecht: Nachbarliche Abwehrrechte können durch Untätigbleiben verwirkt werden.

  • AG München, Urteil vom 24.11.2020 – 824 Cs 431 Js 162556/20
    Mit Gartenabfällen gefüllter, in Richtung des Opfers geschwungener Sack ist kein gefährliches Werkzeug.

 


Kontakt

Bei Fragen und Anregungen rund um den Newsletter sowie den Web-Auftritt der Fakultät wenden Sie sich gerne an die Web-Redaktion unter folgender Mail Adresse: web-team@jura.uni-hannover.de

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www.jura.uni-hannover.de

Weitere Neuigkeiten an der Juristischen Fakultät:

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